Der Oberste Gerichtshof hat ausdrücklich ausgesprochen, dass i.d.R. auch das Einlangen einer E-Mail-Nachricht im „Spam-Ordner“ des Empfängers als wirksamer Zugang gewertet werden kann (OGH 20.02.2019, 3 Ob 224/18i). In dem vom OGH zu beurteilenden Fall ging es zwar um keine Arbeitsrechtssache (sondern um eine strittige Maklerprovision), aber die Kernaussage ist grundsätzlich auch für die arbeitsrechtliche Korrespondenz zutreffend, sofern

  • für die per E-Mail verschickte Erklärung keine besondere Formvorschrift besteht (also wenn z.B. für die Erklärung weder gesetzlich, noch kollektivvertraglich oder dienstvertraglich die Schriftform erforderlich ist) und
  • der Empfänger zu erkennen gegeben hat, dass er über die E-Mail-Adresse erreichbar ist (z.B. weil er die E-Mail-Adresse dem Anderen ausdrücklich bekannt gegeben hat oder zuvor selbst von dieser E-Mail-Adresse aus Nachrichten versendet hat).

Aus praktischer Sicht ist natürlich anzumerken, dass die OGH-Entscheidung nichts an der grundsätzlichen Beweislast des Absenders ändert. Die OGH-Aussage hilft dem Absender somit nur dann, wenn feststeht, dass die E-Mail tatsächlich beim Empfänger eingelangt ist. Diesfalls ist es aber gleichgültig, ob sie im Posteingang oder im Spam-Ordner gelandet ist, und ob sie vom Empfänger gelesen wurde oder nicht. Dieser Nachweis kann beispielsweise dann erbracht werden, wenn der Empfänger das Einlangen im Spam-Ordner gar nicht abstreitet (sondern dies vielleicht sogar als vermeintlich „rettende Ausrede“ vorbringt) oder wenn eine Nachverfolgung der E-Mail mit IT-Hilfe gelingt.

Die Lehren aus der Geschichte:

  1. Wer im Geschäfts- und Arbeitsalltag per E-Mail kommuniziert und dabei mit dem Erhalt rechtlich erheblicher Erklärungen rechnen muss, ist gut beraten, den Spam-Ordner künftig besser im Auge zu behalten.
  2. Die Ausrede, eine E-Mail sei im Spam-Ordner gelandet und daher unbemerkt geblieben, bringt dem Empfänger i.d.R. nichts. Ganz im Gegenteil: Diese Ausrede hilft sogar dem Absender, weil dadurch ein Nachweis für den Empfang der E-Mail-Nachricht geliefert wird.

Link zur OGH-Entscheidung