News vom 11. Dezember 2021

Eine Aussage der österreichischen Verfassungsministerin Karoline Edtstadler sorgt derzeit bei Betrieben und Mitarbeitern für Verunsicherung: Edtstadler meinte in einem TV-Interview, dass es „wahrscheinlich auch möglich sein wird, jemanden zu kündigen, der nicht geimpft ist.“

Diese Einschätzung, die sich offenbar auf die Zeit nach In-Kraft-Treten der geplanten Corona-Impfpflicht (voraussichtlich Februar 2022) beziehen soll, ist arbeitsrechtlich etwas zu oberflächlich. Wie sieht die arbeitsrechtliche Situation wirklich aus?
Eine Kündigung bedarf in Österreich – im Gegensatz zu einer fristlosen Entlassung – zwar im Normalfall keiner Begründung (Grundsatz der Kündigungsfreiheit), außer bei besonders kündigungsgeschützten Personen (z.B. Schwangere, Betriebsratsmitglieder, begünstigte Behinderte). Allerdings kommt (in Betrieben mit einer Belegschaftsgröße ab fünf Arbeitnehmern) bei einer Kündigung, die gegenüber einem Arbeitnehmer wegen dessen Verweigerung der Corona-Impfung ausgesprochen wird, eine Kündigungsanfechtung wegen Motivwidrigkeit (§ 105 Abs. 3 Z. 1 lit. i ArbVG) in Betracht. Die Erfolgschancen einer solchen Anfechtung beim Arbeits- und Sozialgericht hängen wohl stark vom konkreten Tätigkeitsfeld (Kontaktintensität mit Kunden, Arbeitskollegen etc.) und von der Verfügbarkeit anderer Schutzmaßnahmen (Masken, Plexiglas, Trennwände, Aufteilung in Teams etc.) ab. Der Ausgang eines diesbezüglichen Gerichtsverfahrens ist naturgemäß schwer zu prognostizieren. Mit In-Kraft-Treten einer allgemeinen gesetzlichen Corona-Impfpflicht (geplant mit Februar 2022) könnte sich die arbeitsrechtliche Chancenverteilung zugunsten der Betriebe verschieben und eine Motivanfechtbarkeit stark zurückgedrängt werden (Anmerkung: Die heiß diskutierte Frage, ob eine allgemeine gesetzliche Corona-Impfpflicht möglicherweise verfassungswidrig wäre und daher vom VfGH wieder aufgehoben werden könnte, wird hier nicht weiter vertieft).

Fazit: Auf beiläufige arbeitsrechtliche Einschätzungen von Politikern sollten sich weder Betriebe noch Mitarbeiter verlassen. Betriebe sollten vor einer Kündigung wegen Impfverweigerung immer erst eine sorgfältiger Prüfung der konkreten Einzelfallumstände vornehmen. Eine erfolgreiche Kündigungsanfechtung des Arbeitnehmers kann für den Betrieb sehr teuer werden. Denn das Arbeitsrecht ist durch die Corona-Pandemie nicht außer Kraft gesetzt.