Im Sommer diesen Jahres haben wir hier im Newsbereich (Beitrag vom 19. Juli 2019) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Klauseln in Gleitzeitvereinbarungen, die den Verfall der nicht übertragbaren Zeitguthaben bei Ende der Gleitzeitperiode vorsehen (Kappungsklauseln) arbeitsrechtlich sehr problematisch sind. Diese Bedenken wurden nun durch eine ausdrückliche Entscheidung des Obersten Gerichtshofes bestätigt (OGH 30.10.2019, 9 ObA 75/19y).

Das Problem von Kappungsklauseln liegt darin, dass sie das „Abschneiden“ von nicht übertragbaren Plusstunden am Periodenende vorsehen, ohne i.d.R. zu unterscheiden, ob die Zeitguthaben

  • aus arbeitnehmerseitig „aufgedrängten“ (unnötigen) Arbeitsleistungen oder
  • aus arbeitgeberseitigen Umständen (z.B. aufgrund zu hoher aufgetragener Arbeitsmenge)

herrühren. Solche Klauseln widersprechen dem Grundsatz, dass Arbeitsleistungen, die der Arbeitgeber zumindest konkludent entgegengenommenen hat, abzugelten sind. Weiters verletzen sie die Pflicht zur Überstundenvergütung nach § 10 AZG (bei Vollzeitbeschäftigten) bzw. die Pflicht zur Mehrarbeitsvergütung nach § 19d AZG (bei Teilzeitbeschäftigten). Es hilft auch kein pauschaler Passus in der Gleitzeitvereinbarung, dass der Mitarbeiter dafür Sorge zu tragen habe, das Höchstausmaß an Übertragsmöglichkeiten nicht zu überschreiten.

Fazit: Der Arbeitgeber muss bereits während der Gleitzeitperiode das Zeitkonto laufend im Auge behalten und auf unerwünschte Plussalden in geeigneter Weise reagieren (z.B. Mitarbeitergespräch, konkrete organisatorische Maßnahmen, Ermahnung des Mitarbeiters zum Stundenabbau etc.). Dies fällt in der Praxis meist in den Aufgabenbereich der zuständigen Führungskräfte. Es ist nicht ausreichend, Plusstunden einfach bei Periodenende unabhängig von der Entstehungsursache zu „kappen“. Es wird dem Arbeitgeber i.d.R. kaum gelingen, erst am Ende der Gleitzeitperiode und ohne vorherige laufende Aktivkontrolle die Unnötigkeit bzw. Eigenmächtigkeit („Aufdrängen“) eines Plussaldos durch den Arbeitnehmer zu beweisen (Plusstunden haben kein „Mascherl“).

Die Gleitzeitmuster unseres Vorlagenportals haben wir aus diesem Grund von Anfang an bewusst ohne Kappungsklauseln gestaltet. Wenn die Gleitzeitvereinbarungen Ihres Unternehmens auf Vorlagenportal-Vorlagen beruhen, sind Sie daher von der neuen OGH-Entscheidung nicht betroffen.

Link zur OGH-Entscheidung