News vom 28. Juli 2021

Endlich ist sie da, die langersehnte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zur Diskussion, ob (anteilige) Sonderzahlungen zur rückerstattungsfähigen Vergütung nach § 32 Epidemiegesetz gehören, oder ob es auf den Auszahlungszeitpunkt der Sonderzahlungen ankommt. Erfreulicherweise hat das Höchstgericht unsere seit dem Sommer 2020 wiederholt publizierte Auffassung bestätigt und die absurde Ansicht des Gesundheitsministeriums sowie der Bezirksverwaltungsbehörden verworfen:

Anteilige Sonderzahlungen sind unabhängig vom Auszahlungszeitpunkt erstattungsfähig, also nicht nur dann, wenn die Fälligkeit von Sonderzahlungen genau in den Monat der Absonderung fällt. Von der Vergütung ausgeschlossen sind lediglich jene Sonderzahlungen, die der Arbeitnehmer unabhängig vom Epidemiegesetz sowieso ungekürzt erhalten hätte (dies kann im Einzelfall z.B. bei vertraglichen Zielerreichungsprämien zutreffen).

  • Klar ist, dass die Behörden die VwGH-Entscheidung ab sofort für alle noch offenen Fälle beachten müssen, in denen der Antrag des Arbeitgebers auch die anteiligen Sonderzahlungen einschließt.
  • Bezüglich bereits abgeschlossener Fälle – also überall dort, wo Antrags- und Beschwerdefristen schon abgelaufen sind (z.B. Verzicht auf eine Beschwerde aus Kosten-Nutzen-Überlegungen) – ist aus nüchterner juristischer Perspektive leider zu befürchten, dass eine nachträgliche Geltendmachung nicht mehr möglich sein wird.

Die konkreten Auswirkungen der VwGH-Entscheidung werden im Laufe der nächsten Woche (in Zusammenarbeit u.a. mit der WKO) näher analysiert werden. Sobald es dazu Informationen gibt, werden wir selbstverständlich sofort darüber berichten.

Wir haben die Kernaussage der VwGH-Entscheidung für Sie im folgenden Kurzleitsatz zusammengefasst:

Nach § 32 Abs. 3 erster Satz Epidemiegesetz ist die für die Tage einer behördlichen Absonderung zu leistende Vergütung für Arbeitnehmer nach dem regelmäßigen Entgelt im Sinne des EFZG zu bemessen. Als regelmäßiges Entgelt im Sinne des EFZG gilt jenes Entgelt, das dem Arbeitnehmer gebührt hätte, wenn keine Arbeitsverhinderung eingetreten wäre („Ausfallsprinzip“).
Dabei ist vom arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff auszugehen, der außer dem Grundlohn auch anteilige Sonderzahlungen beinhaltet, wenn und soweit darauf nach Kollektivvertrag oder Vereinbarung ein Anspruch besteht. Sonderzahlungen sind eine Form aperiodischen Entgelts, d.h. mit abweichenden Fälligkeitsterminen; sie sollen die Tag für Tag geleistete Arbeit abgelten, werden daher als Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeit geleistet. Im Übrigen ist der in diesem Zusammenhang heranzuziehende Entgeltbegriff weit auszulegen. Vom Entgeltbegriff sind daher auch Akkordlöhne und Prämien, Zuschläge, Zulagen (ohne Aufwandersatzcharakter), Provisionen, Sonderzahlungen, Entfernungszulagen und Gewinnbeteiligungen oder anstelle einer Ist-Gehaltserhöhung vereinbarte Mitarbeiterbeteiligungen erfasst, nicht aber echte Aufwandsentschädigungen, Trinkgelder sowie Sozialleistungen des Arbeitgebers.
Bei dem an den Arbeitnehmer ausgezahlten Vergütungsbetrag handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Entschädigung (Vergütung) des Bundes, für die der Arbeitgeber in Vorlage tritt. Mit dem Zeitpunkt der Auszahlung des Vergütungsbetrages an den Arbeitnehmer geht dessen Vergütungsanspruch gegenüber dem Bund auf den Arbeitgeber über; dabei kann es – entsprechend den Fälligkeitsterminen verschiedener Entgeltbestandteile – auch zu einem stufenweisen Übergang des Vergütungsanspruchs kommen. Dieser Umstand kann ebenso wie die Festlegung einer gesetzlichen Fallfrist für die Geltendmachung der Vergütung (bei coronabedingten Absonderungen: drei Monate) nicht dahingehend verstanden werden, dass der Gesetzgeber damit die erst nach der Antragstellung fällig werdenden (anteiligen) Sonderzahlungen von der Vergütung ausschließen möchte.
Die vom Magistrat Wien vertretenen Ansicht, dass Sonderzahlungen nur dann zu vergüten seien, wenn die Absonderung in einen Monat (oder anderen Abrechnungszeitraum) fällt, in dem Sonderzahlungen ausbezahlt werden, lässt sich dem Epidemiegesetz nicht entnehmen. Eine derartige Sichtweise ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil Sonderzahlungen als aperiodisches Entgelt gerade nicht das Entgelt für die nur im Auszahlungsmonat geleistete Arbeit darstellen.

Bei der Bemessung der Vergütung nach dem Epidemiegesetz sind daher auch kollektiv- oder einzelvertraglich eingeräumte Sonderzahlungen zu berücksichtigen; auszunehmen sind lediglich jene Sonderzahlungen, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber für die Zeit der Absonderung bzw. des Entfalls der Pflicht zur Entgeltzahlung jedenfalls erhält und die daher bei ihm keinen Entgeltausfall bewirken, der auf den Arbeitgeber übergehen könnte. (VwGH 24.06.2021, Ra 2021/09/0094)