Eine sehr interessante Entscheidung des Obersten Gerichtshofes für Arbeitskräfteüberlasser bzw. deren Kunden sorgt für Aufsehen: Überlassene Arbeitnehmer gelten betriebsverfassungsrechtlich im Beschäftigerbetrieb schon vom ersten Überlassungstag an als Arbeitnehmer des Beschäftigerbetriebs (also ohne die bisher oftmals kolportierte sechsmonatige Wartezeit). Da sie weiterhin der Belegschaft des Überlasserbetriebes angehören, können somit auch für sehr kurz überlassene Leiharbeitnehmer zwei Betriebsräte parallel zuständig sein (Betriebsrat des Überlasserbetriebs für vertragsrechtliche Agenden wie z.B. Kündigungsschutz etc. und Betriebsrat des Beschäftigerbetriebs für Aspekte rund um die faktische Arbeitsgestaltung o.ä.).

Kurzauszug aus der Entscheidung (Link zum Volltext):

Für die Ermittlung der Anzahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder kommt es gemäß § 50 Abs. 2 ArbVG auf die Zahl der Arbeitnehmer im Sinne des § 36 ArbVG am Tag der Betriebsversammlung zur Wahl des Wahlvorstandes an. Es ist dabei irrelevant, ob ein Arbeitnehmer das aktive oder passive Wahlrecht besitzt.
Überlassene Arbeitnehmer sind ohne Erfordernis einer Mindestbeschäftigungsdauer als Arbeitnehmer des Beschäftigerbetriebs im Sinne des § 36 ArbVG anzusehen. Für die Ermittlung der Anzahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder im Beschäftigerbetrieb sind daher auch jene überlassenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen, die am Stichtag noch nicht sechs Monate im Beschäftigerbetrieb beschäftigt gewesen sind. Durch die Stichtagsregelung des § 50 Abs. 2 ArbVG spielt es keine Rolle, dass im Unterschied zur Stammbelegschaft die Zahl der überlassenen Arbeitskräfte naturgemäß zu stärkeren Schwankungen neigt.
Dass die Zugehörigkeit der überlassenen Arbeitnehmer zur Belegschaft des Überlasserbetriebes weiterbesteht und der dortige Betriebsrat – falls ein solcher besteht – auch bestimmte Interessen der überlassenen Arbeitnehmer zu vertreten hat, steht der Zuzählung aller überlassenen Arbeitnehmer zur Belegschaft des Beschäftigerbetriebes für die Ermittlung der Mandatszahl nicht entgegen, zumal sich die Zuständigkeiten der zwei Betriebsräte – des Überlasserbetriebes und des Beschäftigerbetriebes – ergänzen.
Im konkreten Fall hat der Inhaber des Beschäftigerbetriebs die Betriebsratswahl mit der Begründung angefochten, dass wegen der Einrechnung von überlassenen Arbeitnehmern in Relation zur Belegschaftsstärke zu viele Betriebsratsmitglieder gewählt worden seien. Da dies unzutreffend ist, ist die Wahlanfechtungsklage abzuweisen. (OGH 29.09.2020, 9 ObA 65/20d)