News vom 16. Juni 2020

Eine aktuelle OGH-Entscheidung zeigt die arbeitsrechtliche Problematik von GPS-überwachten Dienstfahrzeugen auf (OGH 22.01.2020, 9 ObA 120/19s). Im konkreten Fall hatte ein Vertriebsmitarbeiter durch Zufall bemerkt, dass das ihm (für dienstliche und private Fahrten) zur Verfügung gestellte Dienstfahrzeug vom Betrieb regelmäßig mittels GPS-Ortungen überwacht wurde. Da er sich durch diese über einen Zeitraum von sechs Monaten laufende Überwachung persönlich sehr unter Druck gesetzt fühlte, brachte er nach Beendigung des Dienstverhältnisses beim Arbeits- und Sozialgericht eine Klage auf ideellen Schadenersatz ein. Es wurden ihm schließlich € 2.400,00 (jeweils € 400,00 pro Monat) zugesprochen.

In den Entscheidungsgründen führte der Oberste Gerichtshof Folgendes aus:

„Unter einer Kontrollmaßnahme im Sinne des § 96 Abs. 1 Z. 3 ArbVG ist die systematische Überwachung von Eigenschaften, Handlungen oder des allgemeinen Verhaltens von Arbeitnehmern durch den Betriebsinhaber zu verstehen. Die Menschenwürde wird von einer Kontrollmaßnahme oder einem Kontrollsystem dann „berührt“, wenn dadurch die vom Arbeitnehmer in den Betrieb miteingebrachte Privatsphäre kontrolliert wird. Persönlichkeitsrechte dürfen nur so weit beschränkt werden, als dies durch ein legitimes Kontrollinteresse des Arbeitgebers geboten ist. Es ist das schonendste – noch zum Ziel führende – Mittel zu wählen. Das „Berühren“ der Menschenwürde verlangt keine solche Eingriffsdichte, die bereits als „Verletzung“ (und damit als sittenwidrig und unzulässig) anzusehen wäre.
Für die Einführung und Verwendung eines GPS-Ortungssystems in Dienstfahrzeugen während der Arbeitszeit ist der Abschluss einer Betriebsvereinbarung (§ 96 Abs. 1 Z. 3 ArbVG) bzw. in einem betriebsratslosen Betrieb die Zustimmung des Arbeitnehmers (§ 10 AVRAG) erforderlich, weil die dauernde Ortungsmöglichkeit während der Arbeitszeit die Menschenwürde berührt. Solche Kontrollen des Arbeitgebers außerhalb der Dienstzeit sind jedenfalls unzulässig.
Mit den im konkreten Fall durchgeführten GPS-Ortungen des dem Arbeitnehmer (Vertriebsmitarbeiter) auch für die private Nutzung zur Verfügung gestellten Dienstfahrzeugs greift der Arbeitgeber rechtswidrig und schuldhaft in die Privatsphäre des Arbeitnehmers ein. Dem Arbeitnehmer war daher im konkreten Fall für den sechs Monate andauernden Persönlichkeitseingriff ein angemessener Schadenersatz gemäß § 1328a ABGB für die erlittene persönliche Beeinträchtigung in Höhe von € 2.400,00 (jeweils € 400,00 pro Monat) zuzusprechen.“