News vom 28. Oktober 2021

Am 1. November 2021 tritt in Österreich eine beinahe flächendeckende 3G-Pflicht am Arbeitsplatz in Kraft. Arbeiten darf dann im Regelfall nur, wer geimpft, genesen oder getestet ist. Auch wenn die 3G-Regel auf den ersten Blick simpel klingt, gibt es viele ungeklärte Fragen zur praktischen Umsetzung. Betriebe und Mitarbeiter werden von der Politik mit juristischen Unsicherheiten alleingelassen und gleichzeitig mit saftigen Geldstrafen bedroht. Es ist zu erwarten, dass die praktische Umsetzung der 3G-Regel in manchen Betrieben Chaos bringen, aber mitunter auch für kuriose Situationen sorgen wird. Wir haben einige spannende Fragen gesammelt.

Was regelt die 3G-Verordnung?
Die Verordnung des Gesundheitsministeriums („3. COVID-19-Maßnahmenverordnung“, BGBl. II Nr. 441/2021) gilt grundsätzlich ab 1. November 2021, sieht aber eine Übergangsfrist bis 14. November 2021 vor: Bis dahin kann der 3G-Nachweis am Arbeitsplatz noch durch das Tragen einer FFP2-Maske ersetzt werden. Ab 15. November 2021 ist „Schluss mit lustig“, dann ist – sofern der physische Kontakt zu anderen Personen (Kollegen oder Kunden) bei der Arbeit nicht ausgeschlossen werden kann – jedenfalls ein 3G-Nachweis erforderlich. Leider sind zahlreiche Arbeitsrechtsprobleme, die die 3G-Regel in Einzelfällen nach sich ziehen wird, ebenso ungeklärt wie die Sondersituation in Wien: Wird in Wien auch 3G am Arbeitsplatz gelten oder gar 2,5G (= nur PCR zählt als zulässiger Test) wie es z.B. derzeit auch für Gäste in der Gastronomie vorgesehen ist?
Die Verordnung ist mit 30. November 2021 befristet, allerdings ist zu erwarten, dass die Geltungsdauer darüber hinaus verlängert werden wird.

Wer ist von der 3G-Regel ausgenommen?
Die meisten Arbeitnehmer werden sich der 3G-Pflicht am Arbeitsplatz nicht entziehen können. Diese wird daher im Normalfall auch z.B. für Büromitarbeiter gelten. Von der 3G-Regel sind lediglich jene Mitarbeiter ausgenommen, die nicht länger als zweimal täglich jeweils 15 Minuten Kontakt mit anderen Personen haben, sofern der Kontakt im Freien stattfindet. Dies kann z.B. für LKW-Fahrer, Förster oder Erntehelfer zutreffen. Dass es hier in der Praxis zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen wird, liegt auf der Hand. So ist beispielsweise auch bei jemandem, der allein in einem Büroraum sitzt, damit zu rechnen, dass dieser im Laufe eines Arbeitstages auf andere Personen treffen wird (z.B. im Aufzug, beim Aufsuchen der Toilette, beim Kaffeeautomaten o.ä.). Die Arbeitgeber müssen die Abgrenzung in eigener Verantwortung selbst vornehmen, indem sie je nach Tätigkeit, Arbeitsumfeld und betrieblichen Gegebenheiten die Wahrscheinlichkeit von physischen Kontakten der einzelnen Mitarbeiter mit anderen Personen einschätzen.

Was ist der Zweck der 3G-Regel am Arbeitsplatz?
Die beteiligten Politiker gestehen freimütig zu, dass die 3G-Pflicht am Arbeitsplatz vor allem die Impfquote heben soll. Hier zeigt sich ein typisch österreichischer Weg: Einerseits scheut sich die Politik davor, eine dezidierte gesetzliche Impfpflicht einzuführen (wohl aus Sorge vor einer allfälligen Verfassungswidrigkeit). Andererseits wird ein massiver Impfdruck erzeugt, indem den Ungeimpften lückenlose Testnachweise abverlangt werden, die in vielen Fällen kaum machbar erscheinen. Angesichts der kurzen Gültigkeitsdauer von Antigentests (24 Stunden), dem bevorstehenden Ende der Wohnzimmertests, der Wartefrist (bis 24 Stunden) für PCR-Testergebnisse sowie der in vielen (vor allem ländlichen) Regionen eingeschränkten Testmöglichkeiten wird ein durchgängiger Testnachweis auch für testerprobte Menschen zur hochkomplexen logistischen Herausforderung. Man denke hier besonders an Mitarbeiter mit fünf Arbeitstagen pro Woche oder Mitarbeiter mit Arbeitseinsätzen am Wochenende. Es ist geradezu vorhersehbar, dass auch testwillige Arbeitnehmer immer wieder schuldlos ohne 3G-Nachweis dastehen werden.

Wie genau und intensiv muss der Arbeitgeber die 3G-Regel kontrollieren?
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Mitarbeiter über die 3G-Regel im Betrieb zu informieren und die Einhaltung zumindest mittels Stichproben zu kontrollieren. Eine tägliche systematische oder gar lückenlose Eingangskontrolle ist nicht erforderlich. Allerdings sollten Kontrollen jedenfalls unangekündigt erfolgen. Wichtig ist aus betrieblicher Sicht vor allem, ausdrücklich zu dokumentieren, dass Kontrollen im Betrieb tatsächlich stattfinden. Denn Arbeitgeber, die überhaupt keine 3G-Kontrollen durchführen oder die wissentlich Mitarbeiter ohne 3G-Nachweis zur Arbeit zulassen, sind mit Verwaltungsstrafen bis zu € 3.600,00 bedroht.

Was haben die Mitarbeiter bezüglich 3G-Nachweis zu beachten?
Die Mitarbeiter müssen am Arbeitsplatz stets einen gültigen 3G-Nachweis mitführen und im Falle einer Kontrolle (seitens des Arbeitgebers oder eines zuständigen behördlichen Organs) vorweisen. Die Bereithaltung des 3G-Nachweises gilt also nicht nur bei Arbeitsantritt, sondern für den gesamten Arbeitstag. Der Nachweis kann in Papierform (Ausdruck) oder in elektronischer Form (Mobiltelefon) bereitgehalten werden. Dabei können sich naturgemäß praktische Komplikationen ergeben (z.B. leerer Handyakku), weshalb sicherheitshalber ein Handyladegerät immer mit dabei sein sollte. Arbeitnehmer, die die 3G-Regel missachten, müssen mit Verwaltungsstrafen von bis zu € 500,00 rechnen.

Was tun mit Mitarbeitern, die ohne 3G-Nachweis zur Arbeit erscheinen?
Die Frage, wie der Arbeitgeber vorgehen kann, wenn Mitarbeiter ohne gültigen 3G-Nachweis in der Arbeit erscheinen, führt Personalverantwortliche rasch in ein arbeitsrechtliches Minenfeld. Angesichts drohender Strafen kann der Arbeitgeber, wenn bei den Stichprobenkontrollen ein Mitarbeiter ohne 3G-Nachweis „erwischt“ wird, nicht so einfach „ein Auge zudrücken“ und den Mitarbeiter ohne 3G zur Arbeit zulassen. Sehr problematisch ist allerdings die in einigen Medien – u.a. gestützt auf eine Randbemerkung von Arbeitsminister Kocher in einer Pressekonferenz – wiedergegebene Aussage, dass Mitarbeiter ohne 3G-Nachweis ohne Bezüge nach Hause geschickt werden könnten. Diese Aussage ist in ihrer Allgemeinheit viel zu weitgehend und nur z.B. bei chronischen „Testverweigerern“ rechtlich vertretbar. Bei testwilligen Personen, die sich trotz ernsthaften Bemühens einen Testnachweis nicht mehr rechtzeitig besorgen konnten, ist die Sache jedenfalls viel komplexer:

  1. Der Arbeitgeber sollte dem Mitarbeiter die Möglichkeit einräumen, einen Antigen-Schnelltest nachzuholen (z.B. im Betrieb oder in einem nahegelegenen Testzentrum), in Bundesländern, wo ein PCR-Test (2,5G) erforderlich ist (möglicherweise Wien, dies steht aber noch nicht fest), scheidet diese Möglichkeit natürlich aus.
  2. Sollte ein unverzügliches Nachholen des Tests mit raschem Testergebnis nicht in Frage kommen, muss sich der Arbeitgeber um eine alternative („kontaktlose“) Arbeitsmöglichkeit bemühen (z.B. Arbeiten in einem Alleinbüro, im Homeoffice etc.).
  3. Wenn ein kontaktloses Arbeiten aufgrund der Art der Tätigkeit oder wegen fehlender räumlicher Kapazitäten nicht möglich ist und den Arbeitnehmer kein Eigenverschulden am fehlenden 3G-Nachweis trifft, ist i.d.R. ein persönlicher Dienstverhinderungsgrund (§ 8 Abs. 3 AngG bzw. § 1154b Abs. 5 ABGB) gegeben, d.h. diesfalls besteht – entgegen teils anderslautender medialer Darstellungen – sehr wohl Anspruch auf Entgeltfortzahlung (bis zur Dauer von maximal einer Woche, wobei diese zeitliche Obergrenze bei testwilligen Personen aber wohl keine praktische Bedeutung haben wird).

Beispiele:

  • Ein Mitarbeiter schafft es wegen der notwendigen Betreuung seines Kindes nicht mehr, am Vorabend rechtzeitig eine Teststraße aufzusuchen.
  • Ein Mitarbeiter, der regelmäßig Corona-Tests über die Plattform „Alles gurgelt“ (z.B. Wien oder Linz) durchführt, verbleibt ungeplant länger im Betrieb (Überstunden) und kann deshalb den PCR-Test für den Folgetag nicht mehr rechtzeitig bei einer Abgabestelle einwerfen.
  • Ein Testergebnis langt wegen eines technischen Ausfalls der Test-App nicht rechtzeitig bis zum Arbeitsantritt am Handy des Mitarbeiters ein.

Fazit: Es kommt auf die konkreten Umstände im Einzelfall an. Eine allzu leichtfertige Entgeltkürzung ohne Rücksicht auf die Gründe des fehlenden 3G-Nachweises wäre ein arbeitsrechtlicher „Blindflug“, der langwierige gerichtliche Streitigkeiten nach sich ziehen könnte.
Übrigens: Der manchen Geimpften zu vorstehenden Fällen möglicherweise auf der Zunge liegende spöttische Einwand „Selber schuld, dann lass dich halt impfen“ geht aufgrund der nicht vorhandenen staatlichen Impfpflicht rechtlich ins Leere.

Wie ist die Situation in Betrieben, die ihren Mitarbeitern kostenlose Tests im Betrieb anbieten?
In jenen Betrieben, die den Mitarbeitern eine kostenlose Testmöglichkeit im Betrieb anbieten (hierfür gibt es eine staatliche Förderung), stehen die Chancen einer friedlichen und komplikationsfreien Umsetzung der 3G-Regel am Arbeitsplatz meist deutlich besser. Dies bestätigt die bisherige Erfahrung in jenen Betrieben, die schon vor einiger Zeit – im „vorauseilenden Gehorsam“ – 3G am Arbeitsplatz eingeführt haben. Der Vorteil von betriebsinternen Testangeboten besteht vor allem darin, dass sich die Mitarbeiter die Wege und Zeitaufwände für externe Testungen ersparen. Dies entschärft im Regelfall auch die in der Praxis immer wieder kontrovers diskutierte Frage, ob Coronatests während der Arbeitszeit oder in der Freizeit zu erfolgen haben.  Wenn ein Mitarbeiter ungeachtet der im Betrieb kostenlos angebotenen Coronatests strikt seine Teilnahme verweigert, wird das Nach-Hause-Schicken ohne Bezüge wohl denkbar sein. Auch käme diesfalls – in Anlehnung an eine aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH 14.09.2021, 8 ObA 42/21s) – eine Kündigung in Betracht, die nicht wegen Motivwidrigkeit anfechtbar ist.

Besteht zusätzlich zum 3G-Nachweis eine Maskenpflicht?
Mit gültigem 3G-Nachweis am Arbeitsplatz muss im Normalfall keine Maske mehr getragen werden (weder Mund-Nasen-Schutz noch FFP2-Maske). Der Arbeitgeber ist aber berechtigt, in besonderen Risikosituationen eine Maskenpflicht anzuordnen (z.B. bei intensivem Kundenkontakt, im Großraumbüro oder anlässlich eines aktuellen Coronafalls im Betrieb). Eine gesetzliche FFP2-Maskenpflicht gilt zusätzlich zur 3G-Regel nur in Alten- und Pflegeheimen sowie in Spitälern.

Weitere offene Fragen: Datenschutz, 2,5G in Wien oder in einzelnen Betrieben, Lockdown für Ungeimpfte?
Über die vorstehend angesprochenen Punkte hinaus gibt es noch zahlreiche weitere Fragen mit hohem Konfliktpotenzial und möglichen juristischen Stolpersteinen. Betroffen sind etwa folgende Themen:

  • Was ist datenschutzrechtlich zu beachten? Laut Verordnung gilt für die personenbezogenen 3G-Daten der Grundsatz: „Kontrollieren ja, Speichern nein“. Daraus wird von einigen Juristen abgeleitet, dass der Arbeitgeber gar keine Verzeichnisse (z.B. Liste der geimpften Mitarbeiter) führen darf. Eine andere Ansicht geht davon aus, dass Verzeichnisse erstellt, aber im Sinne der Datenminimierung gemäß DSGVO nur kurz aufgehoben werden dürfen (was auch immer „kurz“ in diesem Zusammenhang konkret heißen mag).
  • Gibt es wieder einen Sonderstatus für Wien? Derzeit ist noch unklar, ob für Arbeitsplätze in Wien 3G oder 2,5G (als Test zählt nur PCR, so wie z.B. derzeit für Gäste in der Gastronomie) gelten wird. Es bleibt daher abzuwarten, ob für Wien noch eine spezielle Landesverordnung erlassen wird, in der eine Verschärfung auf 2,5G am Arbeitsplatz erfolgt.
  • Sind innerbetriebliche Regelungen zulässig, die gegenüber den staatlichen Vorschriften strenger sind (z.B. nur PCR-Test als zugelassene Testungsform, also 2,5G)? Diese Frage ist u.E. ungeklärt. Jedenfalls bedarf der Arbeitgeber, wenn er den innerbetrieblichen Standard höher ansetzt als laut Gesetz bzw. Verordnung gefordert, einer besonderen Begründung (z.B. akuter Coronafall im Betrieb, besonders intensive Kontakte o.ä.). Andernfalls muss der Arbeitgeber die Folgen der von ihm verhängten Verschärfungen wohl selbst tragen (z.B. Bewertung des erhöhten Zeitaufwandes der Mitarbeiter für die Besorgung eines PCR-Tests als Arbeitszeit).
  • Welche Auswirkung hätte ein allfälliger künftiger Lockdown für Ungeimpfte (neue Stufe 5 bei mehr als 600 ausgelasteten Intensivbetten)? Dürfen Ungeimpfte dann überhaupt noch arbeiten? Es ist u.E. zu erwarten, dass – so wie bei den früheren generellen Lockdowns – die berufliche Tätigkeit auch in künftigen Lockdown-Verordnungen ohnehin wieder als zulässige Ausnahme vorgesehen wäre.